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Schmuggel

Vom „romantischen“ Pascher vs. Finanzer zum internationalen „Schleppergeschäft“

Das Wort Schmuggeln ist wohl vom niederdeutschen „smuggel“ abgeleitet und bedeutet so viel wie „sich schleichend, sich geduckt bewegen“. Das Schmuggeln wurde hauptsächlich von jungen Männern durchgeführt, die sich manchmal zur Tarnung die Gesichter schwärzten. Im deutsch-böhmischen Grenzgebiet hat sich diese Angewohnheit lange erhalten. Die dortigen Schmuggler wurden „Pascher“ oder die „Gerußten genannt.
 
Das Schmuggeln brachte Abenteuer, verbunden allerdings oftmals mit Gefahren für Leibund Leben, einen „Kick“ wie man heute vielleicht dazu sagen würde und das schnelles Geld. Demenico Rossi einer von mehr als 200 Bewohnern aus Campocologno, dessen Bewohner dort vom grünen Grenzverkehr lebten, erzählt, wie er als Jugendlicher die dicken Autos und Geldbündel der Schmuggler bewunderte. Schon als 16jähriger schleppte er die meist 35 kg , manchmal bis zu 70 kg schweren Rücksäcke über die Bergpfade. Nur in seltenen Fällen konnten Pferde oder Mulis als Saumtiere eingesetzt werden. Dennoch lohnte sich die schwere und gefährliche Arbeit. Bei 70 Franken pro Sack und 40 Minuten Arbeit waren das ein satter Stundenlohn. Sein Vater verdiente zu dieser Zeit als Chauffeur 600 Franken im Monat. 20 Jahre ging das gut. Dann glichen sich die Preise an und das Geschäft verebbte. Ein Vermögen haben mit dem Schmuggel damit jedoch nur die verdient, die den Schmuggel organisierten und in großen Stil betrieben.
 
Die Gegenspieler der Schmuggler waren die Zöllner,. „Finanzieri“ (Italien) oder „Finanzer“ (Österreich), die zum Teil  mit ihren ganzen Familien entlang der Grenze stationiert waren. Sie kontrollierten genau und scheuten sich wauch nicht von ihren Schußwaffen Gebrauch zu machen. Das Risiko erwischt zu werden, war hoch, die Strafen, vor allem bei Tabakschmuggel, waren saftig. Dennoch herrschte bei der Bevölkerung der Eindruck, dass zwischen Zöllnern und den Schmugglern ein Einvernehmen nach dem Motto "Leben und leben lassen" bestand und ganz anders als das zwischen Jäger und Wilderen. Provozierendes Verhalten wurde von ihnen aber nicht geduldet.
 
Das Schmuggeln wurde von der Bevölkerung nicht als Vergehen angesehen. Besonders in wirtschaftlichen Notzeiten, -im Krieg bzw. zwischen den Weltkriegen wurde vielfach aus reiner Not heraus geschmuggelt. Schmuggeln war oftmals die einzige Möglichkeit Güter des täglichen Bedarfs auszutauschen und somit das Überleben der Familie zu ermöglichen. Der Warentransfer fand meist in beide Richtungen statt, man „tauschte“ die notwendigen und ortsüblich teuren Waren unter Umgehung von Einfuhrzöllen und Steuern einfach aus. Oft hatte dieser Handel jahrhundertlange Tradition oder er ergab sich, wie in Südtirol, erst durch die politischen Umwälzungen im 20. Jahrhundert. Es wurden Grenzen gezogen, die vorher nicht bestanden und Regionen trennten, die über Jahrhunderte hinweg zusammengehörten. Viele Formen des Austauschs wurden so unterbrochen und offizielle Grenzübergänge gab es wenige.
 
In Villgraten z.B. gab es im 19. Jahrhundert nur graues Meersalz. Das weiße Salz der Haller Saline war aber sehr begehrt, die Einfuhr aber streng verboten, also wurde es geschmuggelt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden von Gsies die in Villgraten sehr begehrten seidene Schürzen für das „pairische Gewand“ sowie Tücher, Zwirn und blaue Arbeitsschürzen für Männer auf "inoffiziellem Wege" über die Grenze gebracht.
 
Lebensmittel bzw. Genussmittel, die in die andere Richtung „getauscht“ wurden, waren hauptsächlich Zucker, Polentamehl (Maismehl), Reis, Petroleum und Wein, die beide in großen Korbflaschen (Pumper, Panzelen bis zu 25l) transportiert wurden und vor allem Tabak. Der Tabakbund wurde dann selbst geschnitten, um daraus die Zigaretten zu „wuzeltn“. Auch wurden Vieh, Schaf- , Ziegen und Kalbsfelle, die wegen des impertinenten verräterischen Geruchs eingesalzt werden mußten, nach Italien verbracht. Letztere brachten in Italien genau so viel Geld ein, wie eine lebende Kuh in Villgraten. Der Viehtrieb blieb bis in die 60er Jahre hinein ein gutes Geschäft. Danach bekamen die Rinder zur Erleichterung der Kontrollen eine Markierung ins Ohr und auch die Viehpreise glichen sich nach und nach an.
 
Auch heute wird noch an den EU- Einfuhrbestimmungen vorbei geschmuggelt, wenn auch zumeist in anderer Richtung. Viele Südtirol- und Toskana-Urlauber versorgen sich in ihren Urlaubsdomizielen mit einem Gutteil ihres jährlichen Weinbedarfs, den sie natürlich wegen der EU und dem Schengenraum nicht an der offenen Grenzen beim Zoll angeben.
 
Doch haben all diese privaten „Versehen“ nichts mit dem professionell betriebenen Schmuggel ganzer LKW-Ladungen von Zigaretten, Waffen, Rauschgift oder Menschen in heutiger Zeit gemein. Verfolgten und bedrohten Menschen wurden damals wie heute beim illegalen Grenzübertritt geholfen. Doch mit dem „Arabischen Frühling“ und dessen gewaltsamer Niederschlagung, den Konflikten in Afrika und Nahost befinden sich viele Millionen Menschen auf der Flucht. Sie versuchen nicht erst seit der „Willkommenskultur“ vom September 2015 in Mitteleuropa und im speziellen in Deutschland eine gewaltfreie Zukunft zu finden. Dieser enorme „Markt“ ruft leider auch das organisierte Verbrechen auf den Plan, die sich ihre Schlepperdienste sehr gut bezahlen lassen. Das Riskio ist relativ gering und der Gewinn höher als beim Rauschgift- und Waffenhandel. Der fliehende Mensch ist für sie nur eine Ware und Tote, von denen es leider viele gibt, sind nur Kollationalschaden – das Geld für ihre Dienste haben die Schlepper ja zumeist schon im Vorfeld erhalten.